Trennung ja oder nein? Die richtige Entscheidung treffen

Trennung ja oder nein

Es ist ziemlich normal, dass wir uns allein oder gemeinsam im Laufe unserer Beziehung fragen, ob eine Trennung das Richtige wäre. Nirgendwo läuft es immer glatt und krisenfrei.

Wir fühlen uns hin- und hergerissen, Trennung ja oder nein, können zwar die Entscheidung nicht treffen, aber die Beziehung genauso zu erhalten wie bisher ist auch keine Option in dieser Beziehungskrise. Wir sind unglücklich, überfordert, vielleicht hilflos und haben Schuld- oder auch Schamgefühle, weil wir nicht für Klarheit durch eine Entscheidung zu sorgen – für uns selbst und unseren Partner bzw. unsere Partnerin. 

Der wichtigste erste Schritt ist eine genaue Klärung der Situation, wofür es häufig die Unterstützung einer neutralen, außenstehenden und professionellen Person braucht, weil man selbst den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht und weil der psychologische Background einer solchen Situation mitunter etwas komplexer ist.  Aus unserer Erfahrung in der Paartherapie stecken hinter der Frage nach Trennung und der Entscheidungsschwierigkeit unterschiedliche Gründe und Beziehungsdynamiken.

Diese stellen wir nacheinander vor und beleuchten dabei, was diese Entscheidung mit unserem Bindungs- und Liebesgefühl, Vermeidungsverhalten, Grundbedürfnissen und Lebenskonzepten zu tun hat. Dabei gehen wir ganz konkret darauf ein, wann genau es sinnvoll sein kann zu bleiben und wann wir besser gehen sollten.


Welche Paare und Einzelpersonen kommen in die Praxis mit der Frage: Trennung ja oder nein?

1. Vordergründiges Bindungsgefühl

  • Der zweifelnde Partner fühlt noch eine starke Bindung zum Partner, es gibt jedoch offensichtliche Belastungen für die Beziehung. Dazu zählen beispielsweise ständig streiten oder ein dauerhaftes und extremes Ungleichgewicht von Bedürfnissen nach Autonomie, Wertschätzung etc. beider Partner.

Oder allen voran mangelnde Einsicht des Partners oder der Partnerin in den eigenen Anteil an einer möglichen dysfunktionalen Beziehungsdynamik. Damit meinen wir Lügen, Mauern, Kontrollieren oder Nichtanerkennung bis hin zur Ablehnung der emotionalen Reaktion und Erfahrung des anderen.

Das alles würde eindeutig dafür sprechen, dass emotionale Nähe fehlt und eine gewisse Tiefe und Sicherheit der Bindung nicht erreicht oder verloren gegangen ist. Wenn einer von beiden dies aber nicht sehen will oder kann, ist es nachvollziehbar, dass der andere Zweifel an der Fortführung der Beziehung hat und diese auch völlig nachvollziehbar und berechtigt sind.


2. Mangel an romantischer Nähe

  • Einer von beiden oder auch beide mögen und schätzen sich zwar, aber empfinden wenig romantische Liebe zum Partner. Beide fühlen sich gegenseitig gehört und verstanden, gehen zugewandt auf die Bedürfnisse des anderen ein und lösen Konflikte konstruktiv. 

Aber diese Paare erzählen häufig von dem Gefühl, mit einem guten Freund in einer tollen WG zu leben, jedoch verspürt einer oder beide kein Bedürfnis mehr nach Zärtlichkeit, körperlicher Nähe oder auch Sexualität – es ist eine rein freundschaftliche und keine romantisch partnerschaftliche Liebe. 

Hier haben die betroffenen Personen häufig Trennungsgedanken und stellen sich die Frage, ob die Beziehung sich auf dieser Basis noch lohnt oder ob eine Trennung nicht beide von einer „Zeitverschwendung“ befreien würde. 

Aus Angst, den anderen bei einer Trennung jedoch ganz zu verlieren, nehmen wir in Kauf, nicht ganz glücklich in der Beziehung zu sein. Immerhin können wir dadurch vermeiden, mit Alleinsein, Traurigkeit und anderen unangenehmen Gefühlen konfrontiert zu sein. Das ist die direkte Überleitung zum nächsten Punkt.


3. Angst und Vermeidung unangenehmer Gefühle

  • Der häufigste Grund, sich der Entscheidung nicht zu stellen, ist Angst vor damit verbundenen unangenehmen Gefühlen wie Traurigkeit, Alleinsein, Vermissen, Hilflosigkeit, Schuld- und Schamgefühle uvm. Mit einer Nichtentscheidung können wir uns vor all diesen Gefühlen schützen oder etwas härter ausgedrückt: wir können sie vermeiden. 

Schuldgefühle beispielsweise können aufkommen, wenn wir den anderen durch eine Trennung verletzen und schämen könnten wir uns, wenn wir uns durch die Trennung darin bestätigt fühlen, erneut eine Beziehung nicht geschafft zu haben. 

Auch die Angst, alleine zu bleiben oder keinen „besseren“ Partner zu finden und die Trennung zu bereuen, spielt hier aus Erfahrung oft eine sehr große Rolle bei der Entscheidungsvermeidung. 


4. Völlig unterschiedliche Bedürfnisse und Lebensentwürfe

  • Die Partner haben komplett unterschiedliche Bedürfnisse und Lebensziele. Aus der Praxis kennen wir das beispielsweise bei der
    • Unschlüssigkeit Kinder zu bekommen
    • ein tolles Jobangebot in einem anderen Land oder einer anderen Stadt anzunehmen und eine Fernbeziehung einzugehen
    • die Wahl zwischen einer monogamen oder polyamoren Beziehung
    • die Involviertheit der Schwiegerfamilie in die eigene Beziehung oder Familie
    • das Chaos in der Wohnung, das der Partner veranstaltet und man selbst die Ordnung liebt
    • einer liebt das Landleben, der andere fühlt sich nur in der Stadt oder in seinem Heimatort richtig wohl.

Hier gibt es in den meisten Fällen keinen klassischen Kompromiss. Es geht um die schwierige Entscheidung, für welches eigene Bedürfnis man sich selbst entscheidet bzw. welches priorisiert werden soll. 

Es gibt kein klares und generalisierbares richtig oder falsch an dieser Stelle. Wir müssen individuell und ehrlich uns selbst gegenüber klar werden, ob wir langfristig damit leben können und wollen, gewisse Bedürfnisse zurückzustellen oder sogar weitestgehend aufzugeben. Eine Klärung ist auch hier deshalb so wichtig, damit Sie eine sehr bewusste Entscheidung treffen können sein kann. Manchmal und steckt hinter diesen anderen Lebensentwürfen und -vorstellungen aber auch etwas Psychologisches wie: du stellst deine Bedürfnisse für meine bitte immer zurück oder ich möchte hier das Sagen haben in der Beziehung, weil ich Momente, die ich nicht kontrollieren kann, überhaupt nicht aushalten kann usw. In diese Fällen ist es dann sinnvoll die psychologische Dynamik hinter dem vermeintlichen Konflikt zunächst ans Tageslicht zu bringen. 


5. Äußere oder innere Verpflichtungen

  • Die Beziehung wird durch äußere oder innere Verpflichtungen belastet, wie ein gemeinsames Haus, Kinder, eine gemeinsame Firma oder die psychische bzw. physische Krankheit des Partners. 

In solchen Fällen ist es besonders ratsam, professionelle Unterstützung aufzusuchen, beispielsweise bei Pro Familia, dem blauen Kreuz bei Suchtproblematik oder auch einem Rechtsanwalt. Das hilft, um wirklich alle Fakten und Unterstützungsmöglichkeiten auf dem Tisch zu haben. 


6. Fehlende Sicherheit

  • Anders als in den bis hierhin beschriebenen Szenarien ist fehlende Sicherheit in der Beziehung ein absolutes No-Go und damit ein klarer Trennungsgrund. Damit meinen wir, wenn es in der Beziehung ausschließlich und immer nur um die Bedürfnisse des anderen geht, der Partner ständig lügt und betrügt oder psychisch und physisch gewalttätig ist. 

Wenn wir individuell feststellen, dass wir uns in der Beziehung nicht sicher fühlen und sich dies auch auf absehbare Zeit nicht ändern wird, sollten wir definitiv den Schlussstrich ziehen.

Wie aber komme ich jetzt in den anderen genannten Szenarien zu einer klaren Entscheidung, ob ich die Beziehung beende oder nicht?


Entscheidung treffen: Wann sollte ich mich mit dem Partner trennen und wann bleiben?

Klärung und gemeinsame Veränderung

Der Prozess einer gemeinsamen Veränderung der Beziehungsdynamik kann erst dann erfolgen, wenn beide Partner die individuelle Beziehungsdynamik geklärt haben. Das bedeutet, beide sollten sich über ihren jeweiligen Anteil bewusst werden, dass die Beziehung aktuell nicht erfüllend genug oder belastet ist.

Klärung beinhaltet also zum einen die eigene emotionale Reaktion auf das Verhalten des anderen zu erkennen. Zum anderen sollten wir das eigene Verhalten identifizieren, mit dem wir versuchen, diese emotionalen Trigger zu bewältigen. 

Gemeinsame Veränderung bedeutet, dass beide Partner üben, ihre Gefühle und Bedürfnisse selbstaufmerksam wahrzunehmen, sie dem Partner im besten Falle zugewandt mitzuteilen und einen Perspektivwechsel vorzunehmen, sodass sich beide wieder wirklich gesehen, verstanden und ernst genommen fühlen. 

Für diesen Veränderungsprozess brauchen beide Bereitschaft, Mut, Geduld und Durchhaltevermögen. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut!

Wenn jedoch über längere Zeit deutlich wird, dass der andere Partner seinen Anteil nicht sehen will oder kann, oder wenn trotz beiderseitiger Bemühungen die Veränderungen zu lange dauern und die Gefühle immer weniger werden, dann ist das schon ein guter Anlass für eine Trennung.

Eine Trennungsentscheidung wird auch dann klarer, wenn beide zwar an einer Veränderung arbeiten und sich die Dynamik positiv verändert, jedoch die oben beschriebenen romantischen Gefühle nicht ausreichen oder unüberwindbare Konflikte bestehen bleiben. 


Einseitige oder beidseitig fehlende Veränderungsbereitschaft

Es gibt auch Paare, wo trotz Klärung und Einsicht nur einer der Partner an sich arbeitet oder beide nicht mehr wirklich auf den Veränderungsprozess eingehen. Das kann aus Resignation, Erschöpfung, fehlender Hoffnung oder aufgrund von Gefühlen für jemand anderen sein. Um dann eine bewusste Entscheidung zu treffen, verhilft die Frage: Reicht mir die Beziehung so oder reicht sie nicht? 

Hier gibt es kein richtig oder falsch – jeder muss selbst und individuell entscheiden. Trotz der möglichen Feststellung, dass die Beziehung langfristig so nicht ausreicht, ist es möglich zu bleiben. Manche Partner entscheiden sich bewusst dafür, die nicht erfüllten Bedürfnisse außerhalb der Partnerschaft zu suchen. Damit ist nicht immer eine Affäre gemeint, es kann auch Freunden, Haustiere, ein leidenschaftliches Hobby oder die Karriere und Kollegen betreffen. Wir brauchen das Gefühl von Verbundenheit, aber das ist nicht nur in einer Beziehung zu finden!

Es ist wichtig für sich und dann gemeinsam zu klären, was genau hinter der Frage nach einer möglichen Trennung steckt und wie hoch die Motivation und Veränderungsbereitschaft beider Partner ist, jeweils an dem eigenen Anteil zu arbeiten. Wichtig ist, dass man sich in der Beziehung sicher fühlt. Alle anderen Bedürfnisse sind eine Frage der eigenen aktuellen und generellen Priorisierung.

Man muss also nicht immer und in jeder Lebensphase die Partnerschaft priorisieren und an einer Veränderung arbeiten. Es ist auch möglich, sich bewusst für eine Beziehung zu entscheiden, die aktuell bezüglich Grundbedürfnissen nicht ausreicht oder sogar sehr belastend ist. Problematisch wird es erst, wenn wir uns für die Vermeidung einer Entscheidung und damit dauerhafte Unentschlossenheit entscheiden. Das kostet sehr viel Kraft und ist auf Dauer nicht stemmbar.