Nur noch Streit und Missverständnisse? Das Problem aus der Partnerschaft räumen

Nur noch Streit und Missverständnisse

Aus der Praxis wissen wir, dass Paare oft mit Aussagen wie „Wir müssen an unserer Kommunikation arbeiten!“ oder „In unserer Beziehung existiert nur noch Streit und Missverständnisse!“ zur Paartherapie kommen. Selten handelt es sich dabei tatsächlich ausschließlich um Kommunikationsprobleme oder Missverständnisse. 

Wenn sich zwei Partner nur noch streiten und jeder Konflikt eskaliert, liegt die Problematik tiefer. Es ist absolut nachvollziehbar, dass diese Paare hilflos, resigniert, erschöpft oder auch verzweifelt auf dem Praxissofa sitzen, weil sie die festgefahrene Dynamik nicht alleine durchbrechen und verändern können. 

Es ist wichtig zu verstehen, dass diese eskalierenden Streitsituationen oft daraus entstehen, dass beide Partner sich in einer emotionalen Notsituation befinden – quasi im Überlebensmodus. Keiner von beiden fühlt sich verstanden und gesehen, jeder versucht, sich vor den Vorwürfen, der beängstigenden Distanz, der Kritik und der Ablehnung des anderen zu schützen. 

Streit und Beziehungskrisen sind vorprogrammiert, wenn beide Partner gelernt haben, sich bei unangenehmen Emotionen und angegriffenen Grundbedürfnissen mit laut werden und angreifen schützen zu müssen. Der erste Schritt zur Veränderung ist daher eine gründliche Klärung der zugrunde liegenden Dynamik, zu der beide Partner ihren Teil beitragen. Und das geht nur mit konkreten und handfesten Methoden, da der Prozess sonst wahnsinnig mühsam, frustrierend und nicht selten sogar veränderungsresistent ist. 


Ursachen für den Streit in der Beziehung verstehen: Warum haben wir nur noch Streit und Missverständnisse? 

Für viele Paare ist es am Anfang wichtig, neben der Dynamik auch über den Inhalt der Streitigkeiten zu sprechen – erstmal völlig nachvollziehbar, leider nur selten wirklich zielführend. Es geht bei Streits primär darum, den Blick auf das „Wie“ und nicht auf das vordergründige „Worüber“ zu richten. 

Konflikte und Auseinandersetzungen bedeuten für viele Menschen, mit unangenehmen Gefühlen wie Hilflosigkeit, Schuldgefühle, Angst oder Traurigkeit konfrontiert zu sein. Für die meisten von uns sind diese Gefühle so unangenehm, dass wir alles dafür tun, sie nicht spüren zu müssen. Wir lenken uns ab, vermeiden potenziell schwierige Situationen, ziehen uns zurück, beschwichtigen den anderen oder versuchen die Taktik des Gegenangriffs, was die Konflikte eskalieren lässt.

Der Angriff ist also wie alle anderen Bewältigungsversuche auch ein automatisches Schutzverhalten und nicht bewusst dazu da, dem anderen zu schaden. Tragischerweise wirkt es auf den Partner aber oft so, dass beide im Ringkampf sind und es nur noch darum geht, wer gewinnt. Langfristig verlieren nur leider beide – und zwar ihr Bindungsgefühl und vielleicht auch ihre Beziehung. 

Beide Partner sehen in solchen emotionalen Notsituationen nur noch sich selbst, fühlen sich nicht gesehen oder verstanden, weil sie auch gar nicht richtig zeigen können, wie es ihnen zum Beispiel hinter der gezeigten Wut vielleicht geht. Das eigentliche Bedürfnis nach emotionaler Nähe, Wertschätzung oder Sicherheit bleibt genauso hinter dem Streitvorhang verborgen, wie Gefühle von Traurigkeit, Verlassenheit, Schuld, Machtlosigkeit uvm. 

Erst wenn die individuelle Dynamik des Paares verstanden ist – mit all den Emotionen, frustrierten Grundbedürfnissen und Bewältigungsstrategien beider Partner – kann gemeinsam daran gearbeitet werden, die Streitspirale zu durchbrechen.


Konflikte konstruktiv lösen: Wie genau können Paare lernen, die Streitspirale zu durchbrechen?

Es geht nicht darum, jeden Streit mit dem Partner zu vermeiden. Vermeidung wäre ein anderer Mechanismus zur Bewältigung unangenehmer Gefühle, der jedoch nur weiter dazu beitragen würde, dass emotionale Nähe verloren geht. 

Streit ist nur eine Art, mit Konflikten umzugehen. Es geht darum, einen Umgang zu finden, der sich für beide Partner sicherer, wertschätzender und verbundener anfühlt, um den ständigen Streit in der Beziehung zu entschärfen. In der Paartherapie sprechen wir hier oft davon, den sogenannten “Moduszirkel” zu verändern. Dieser beschreibt die emotionale Reaktion und das automatische Bewältigungsverhalten beide Partner und wie genau sich beide dabei triggern – ein Teufelskreis.

Ein Beispiel für einen Moduszirkel könnte so aussehen: Stellen Sie sich vor, Partner A kommt nach Hause und sieht, dass Partner B den Teig für den Pizzaabend mit Freunden vorbereitet. Partner A murmelt daraufhin passiv-aggressiv in sich hinein, aber dennoch gut hörbar: „Das reicht ja niemals für uns alle.“ 

Partner B fühlt sich kritisiert, kontrolliert und missverstanden. Die Reaktion darauf drückt seine vordergründige Wut aus: „Immer bist du nur am Meckern. Sei doch froh, dass ich den Teig überhaupt vorbereite und trau mir einfach mal zu, dass ich auch ohne dich alles im Griff habe.“

Beide haben hier ihren Anteil daran, dass die Situation eskaliert. Aus Erfahrung wissen wir, dass solche vordergründig kleinen Alltagssituationen zu wochenlangen Streitigkeiten führen können, weil es eigentlich um viel tiefere Themen geht. Bei Partner A könnte hinter der Wut noch Traurigkeit über fehlende Wertschätzung oder Angst bei Kontrollverlust stecken. Partner B ist vielleicht bei Schuld und Scham triggerbar und fühlt sich in seinen Bedürfnissen nach Autonomie und Bindung verletzt und nicht sicher. Sichtbar ist für beide leider nur Wut.

In der Paartherapie helfen wir Paaren dabei, genau diese Dynamiken zu verstehen und zu durchbrechen. Es geht dabei nicht nur darum, den Partnern neue und besser funktionierende Worte in den Mund zu legen. Sondern ganz konkrete Unterstützung zu geben, das jeweilige Bewältigungsverhalten und die dahinter liegenden getriggerten Emotionen zu reflektieren und selbstaufmerksam zu beobachten. Das führt langfristig dazu, dass nahende Streits frühzeitig erkannt werden und gar nicht erst eskalieren. 

Wenn es doch mal wieder zu einem heftigeren Streit kommen sollte, was vor allem am Anfang von einem Veränderungsprozess ganz normal ist, sind noch andere Kompetenzen und Methoden für beide Partner entscheidend. Hier geht es darum, dass beide Partner lernen, ihre getriggerten Emotionen unabhängig vom anderen zu regulieren und mitfühlend sich selbst und dem anderen gegenüber die verletzten Grundbedürfnisse zu kommunizieren.

Und das zu einem Zeitpunkt, wo die Emotionen bereits erfolgreich etwas herunterreguliert wurden. Solange nämlich einer oder beide noch heftig emotional aktiviert sind, ist der Frontalkortex ausgeschaltet und kein wohlwollender, zugewandter und zielführender Austausch auf Augenhöhe ist möglich. 

Der Weg aus der Streitspirale erfordert Geduld, Mut und Durchhaltevermögen. Keine Veränderung passiert von heute auf morgen, sondern bedarf viel Übung. Ziel ist es, Konflikte so zu bewältigen, dass sie nicht jedes Mal zu Streit führen. Der durchbrochene Moduszirkel und der veränderte Umgang sollen die emotionale Bindung stärken, statt sie weiterhin durch gewohnte Muster gemeinsam zu sabotieren.